Die einen lenken sich dieser Tage mit putzen und räumen ab oder unternehmen lange Spaziergänge an der frischen Frühlingsluft, andere kochen und backen wie wild und wieder andere greifen zu einem guten Buch.
Zwischen Nachrichten lesen und hören, zwischen sorgenvollen Gedanken und vielen Fragen, tue ich all das. Koche für die Familie, telefoniere mit Freundinnen, gehe mit Mollie raus, lege am Abend das Handy bei Seite und greife zu einem Buch.
Befreit – Wie Bildung mir die Welt erschloss
Letzte Woche habe ich Befreit ausgelesen und ich ertappe mich dabei, dass ich seitdem immer mal wieder an Tara Westover und ihrer Familie denken muss.
Tara Westover, heut 36 Jahre alt, wuchs mit ihrer Familie, als jüngstes von sieben Kindern, in Idaho in den USA auf. Irgendwo im nirgendwo, an einem Berg, in einem kleinen Haus, neben einem Schrottplatz.
Ihr Vater war (oder ist es vielleicht noch?) ein fundamentalistischer Mormone, der überzeugt ist, dass die Welt bald untergehen wird. Tagelang steht seine Familie in der Küche und macht Obst und Gemüse für den Ernstfall ein, während er im Garten in einem riesigen Tank Öl sammelt und hortet. Zur Jahrtausendwende wartet die Familie gespannt auf den Untergang, den der Vater prophezeit hat. Seine Kinder schickt er nicht in die Schule, denn er ist überzeugt, dass staatliche Schulen die Kinder von Gott wegführen. Und Ärzte hält er für Teufel. Wer Schmerzmittel nimmt, der gehe das Risiko ein, die Verbindung zu Gott zu unterbrechen. Er legt das Leben seiner Familie in Gottes Hände und tut jede noch so schlimme Verletzung, Verbrennungen und Knochenbrüche, ab als Schicksal.
Tara weiß nicht, wann sie geboren wurde, sie besitzt keine Geburtsurkunde. Als sie ungefähr 15 ist beginnt ihr älterer Bruder an, sie auf’s übelste zu misshandeln. Ihr Eltern schauen weg. Immer und immer wieder, obwohl es vor ihren Augen geschieht.
Raus aus Idaho – rein in die Universität.
Mit 17 Jahren lernt Tara selbstständig und alleine für eine Aufnahmeprüfung. Sie schafft die vorgegebene Punktzahl und studiert fortan an der Brigham Young University (BYU). An dieser konfessionellen Universität trifft sie auf viele Gleichgesinnte, aber auch auf junge Menschen, die weitaus “lockerer” erzogen wurden, als sie. Geprägt vom Weltbild ihres Vaters fällt es ihr schwer, Kontakte zu knüpfen. Das fängt schon bei so banalen Dingen, wie das Händewaschen nach dem Besuch der Toilette an. Tara hat’s nie gelernt, ihre Mitbewohnerinnen ekeln sich. Ausserdem muss sie sich immer wieder kreativ aus Situationen retten, wenn sie merkt, dass andere etwas wissen, wovon sie noch nie etwas gehört hat.
Sie lernt dort einen Professor kennen, der ihr Potenzial sieht und sie unterstützt, mit Hilfe eines Stipendiums nach Camebridge zu gehen. Und so studiert Tara Westover, eine junge Frau, die nie eine Schule besucht hat, die als Teenie keinen blassen Schimmer von 9/11 oder dem Holocaust hatte, Philosophie und Geschichte.
Ihre Lebensgeschichte macht mich sprachlos. Und wütend. Die Macht, die ihr Vater und Teile ihrer Familie, über sie hat, ist so unglaublich. Selbst als Tara schon längst in einer Welt angekommen ist, wo Bildung und Ärzte, Wissenschaft und soziale Kontakte ganz normal sind, wo man als Frau auch einen Minirock tragen darf, wo Kinder nicht auf Schrottplätzen gefährliche Arbeiten machen müssen und man zum Zahnarzt geht, wenn man Schmerzen hat… selbst da sucht sie immer wieder den Kontakt zu ihren Eltern.
Es ist ein schmerzhafter Abnabelungsprozess von ihrer Familie, von ihren Eltern und einigen ihrer Geschwister.
Befreit von Tara Westover – absolut lesenswert.
Das Buch, die Geschichte von dieser starken Frau, ist absolut lesenswert. Ich habe es verschlungen. Und ich gebe zu, ich habe danach sie und ihre Geschwister gegoogelt. Die Namen ihrer Familie hat sie in ihrem Buch jedoch geändert und das ist auch gut so.
Vielleicht ist diese Geschichte auch etwas für Euch? Eine Ablenkung, ein Eintauchen in eine andere Welt…. Solltet Ihr es lesen oder vielleicht schon gelesen haben, dann schreibt mir gerne in den Kommentaren, wie es Euch gefallen hat.
Liebe Grüße
Bine
- Westover, Tara (Autor)
Letzte Aktualisierung am 2024-11-07 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
6 Kommentare
Das passende Buch zum Weltfrauentag! Ich habe es mir gleich auf das E-Book geladen.
Ich danke für die Vorstellung.
Beste Grüße
Tina
Stimmt, liebe Tina! Daran habe ich heute morgen gar nicht gedacht, als ich den Text geschrieben habe. :-)
Liebe Grüße Bine
Und gekauft. Sowas kann man immer lesen und sich klar machen, wie gut es uns eigentlich geht.
Auf jeden Fall, liebe Susanna. Das habe ich beim Lesen auch immer wieder gedacht, wie offen und gleichzeitig behütet ich aufgewachsen bin.
Ich bin gespannt, wie Dir das Buch gefällt. Melde Dich gerne nochmal dazu, wenn Du magst.
Liebe Grüße Bine
Hallo Bine,
unbedingt werde ich mir dieses Buch zulegen. Dieses Thema intressiert mich total. Ich habe gerade Rabenfrauen von Anja Jonuleit gelesen. Auch dort geht es um eine extreme Glaubensgemeinschaft und unterdrückte Frauen. Danke für die Buchvorstellung.
Liebe Grüße Ulrike
Liebe Ulrike,
das Buch wird Dir bestimmt gefallen. Danke auch für Deinen Tipp… habs mir schon auf meine Liste geschrieben.
Ich wünsche Dir einen schönen Abend!
Liebe Grüße Bine