Freitags war bei uns immer Putztag. An diesem Tag wirbelte meine Mama von der oberen Etage, runter durch Wohnzimmer, Esszimmer, Gäste-WC. Kurzzeitig herrschte im ganzen Haus, am meisten jedoch in der Küche, das totale Chaos, bis wieder alles blitzte und blinkte und jeder Gegenstand wieder an seinem Platz stand.
Freitags ließ ich mir immer besonders viel Zeit auf dem Heimweg von der Grundschule. Zu Hause angekommen, musste ich erstmal auf’s Klo. Ausharren. Warten. Zeit rauszögern. Bekam mich Mama dann irgendwann zu packen, musste ich helfen. Aber wenig. Kaum. Eigentlich fast nix. Mal was rauf tragen, mal was holen. Die Waschbecken auswischen. Spülen. Ja, spülen. Ich wuchs in einer Zeit auf, als es in den meisten Haushalten noch keine Spülmaschinen gab.
Meine Mama – damals im übrigen auch berufstätig; meine Eltern hatten einen Elektro Großhandel in Krefeld, für den Mama die Buchhaltung machte – verlangte wenig von meiner Schwester und mir. Sie machte unsere Betten, sie wusch und bügelte unsere Klamotten – und sie bügelte alle Klamotten! Sie kutschierte uns durch die Gegend. Sie kochte. Sie putze. Sie räumte auf. Auch unsere Zimmer. Manchmal, wenn ich von der Schule kam, lag ein Berg Klamotten und Zeug auf meinem Schreibtisch. Damit traf sie mich am meisten, denn mein Schreibtisch war mein Heiligtum. Bevor ich mich hinsetzen und malen konnte, musste ich erstmal alles wegräumen. Ich glaube, ich war ein einigermassen ordentliches Kind- einfach aus Selbstschutz, damit die Schreibtisch-Sache nicht so oft passiert.
Als meine Mama Kind war, sah die Welt anders aus.
Mit vier Geschwistern, in einer weitaus kleineren Wohnung, mit dem Abschluss der Volksschule und einem Arbeitsalltag ab dem 16. Lebensjahr, war sie viel früher erwachsen als ich. Mit 16 hing ich mit meinem Mädels ab und lamentierte zu “No woman no cry” stundenlang über unseren Schwarm. Da saß Mama schon mit toupierten Haaren und gezupften Augenbrauen im Büro und machte Bilanzen.
Zweimal die Woche war meine Oma nachmittags bei uns, weil Mama dann im Büro bei Papa war. An allen anderen Tagen arbeitete Mama von zu Hause aus, meist abends am Esszimmerzisch. Ich sehe (und höre) noch diese Rechenmaschine mit der meterlangen Papierrolle vor meinem inneren Auge.
Oma kochte für uns, erlaubte uns, dass wir unsere Teller ablecken durften, spielte mit uns Kaufladen und Kasperletheater und stopfte Socken. Ansonsten war meine Mama immer da. Obwohl sie auch viel weg war. Rommé-Club, Tennisverein, Schützenfest, Feuerwehrball, Kegelclub – meine Eltern waren überall dabei, immer mittendrin. Wilde Parties wurden in unseren vier Wänden gefeiert, morgens um 5 Uhr Eier gebraten, im Kühlschrank immer Käsewürfelchen und Sekt. Mannomann.
Klassische Rollenverteilung und doch ein Team.
Mein Papa war immer in der Firma. Auch am Wochenende. Selbstständig mit einem kleinen zwei-Mann-Betrieb, da ist Urlaub nicht drin. Bis die Kinder maulen und jammern, dass alle anderen in den Urlaub fahren und nach den Ferien der Lehrerin von ihren Erlebnissen erzählen. Obwohl bei uns, bei meinen Eltern, das klassische Rollenverständnis gelebt wurde, waren meine Eltern trotzdem ein Team. Ja, Papa war viel arbeiten, aber er kochte auch gerne für uns am Wochenende, holte mich abends bei meinen Freundinnen ab, ging mit meiner Schwester und mir am Wochenende schwimmen oder Schlittschuhlaufen.
Heute bin ich selber Mama. Und ich würde behaupten, ich bin wie meine Mama. Und doch ganz anders. Aber der Grundtenor, das Gefühl von Familie, die Werte und Moralvorstellungen – all das, was mich irgendwie ausmacht, all das, was ich in meiner Kindheit bewusst und unbewusst gelernt habe, trage ich immer noch in mir. Gebe ich weiter. Lebe ich.
Mein Mann und ich leben ein anderes Leben als meine Eltern. Und doch sind wir wie meine Eltern. Wir sind ein Team, helfen uns, unterstützen uns in unseren Jobs, Entscheidungen, Alltagsgeschichten. Wir diskutieren, fordern, fragen, sprechen miteinander und wuppen einfach das Leben.
Wir sind viel auf der Rolle, pflegen einen großartigen Freundeskreis, sind in Vereinen. Aber wir sind auch immer da. Für einander und für unsere Kinder.
Wir lassen sie ziehen und halten sie fest, wir fahren ihnen entgegen, wenn sie sich fürchten. Wir überlassen ihnen hier Verantwortung und entscheiden dort für sie.
Wir leben keine Rollen und sind doch Mama und Papa mit jeweils bestimmten Aufgaben.
Das Handy funktioniert nicht? Frag Papa. Das Shirt ist noch in der Wäsche? Frag Mama.
Diesen Beitrag hätte ich an Muttertag veröffentlichen können oder heute am Vatertag oder einfach an jedem anderen beliebigen Tag. Jeder lebt das Leben, das er sich zusammenschustert. Egal, ob als aufopfernde Mama oder dauernd arbeitender Papa. Oder umgekehrt. Oder beides zusammen. Die Diskussionen zu den jeweiligen “Feiertagen” liegen mir (uns) fern. Ich habe mich über die schönen Aufmerksamkeiten meiner Kids an Muttertag gefreut und mein Mann freut sich heute über die Geschenke am Vatertag. Man muss doch nicht immer alles thematisieren.
Liebe Papas, ich wünsche Euch einen schönen Vatertag. Und allen Mamas wünsche ich alles Gute nachträglich zum Muttertag.
Liebe Grüße, Bine
5 Kommentare
Liebe Bine,deinen Bericht wie du die Kindheit verbracht hast, und wie du heute genau so dein Leben weiterlebst und es an deine Kinder weitergibst finde ich sehr schön.
Ich wünsche dir einen schönen Feiertag bis später einmal
rore
Das war klasse zu lesen… ich erinnere mich auch gerne (und inzwischen mit ganz viel Nostalgie und Dankbarkeit) an meine Kindheit und wie meine Eltern (beide Vollzeit arbeitende Lehrer) das alles gewuppt haben.
So ein schöner und interessanter Post! vielen Dank dafür! wir waren daheim 4 Geschwister und unsere Eltern beruflich sehr eingespannt. Helfen im Haushalt war normal. Betten machen, einkaufen, Geschirr spülen, Böden wischen, Wäsche aufhängen, Rasen mähen, Kohlen schippen, Staub saugen, Kuchen backen, Essen kochen, Obst und Kartoffeln ernten – das ganze Programm. Jeder von uns hat auf diese Weise alle Skills erworben einen eigenen Haushalt zu führen ;-)) An meinen Eltern blieb noch genug weitere Arbeit hängen, heute haben wir ja viele Helfertools die uns das Organisieren des Lebens erleichtern, von Onlineshopping, Handy, bis Spülmaschine und Wäschetrockner und eigenem Auto – da musste vor 30 bis 40 Jahren noch deutlich mehr jongliert werden. LG Kuestensocke
Ich lese schon länger deinen Blog und mag deine Art zu schreiben und deine Bilder sehr. Aber dieser Post hat es mir besonders angetan. Er ist so herrlich einfach und strahlt irgendwie eine Gelassenheit und Zufriedenheit aus. Das Leben kann einfach sein, wenn man sich nicht alles verkompliziert. :)
Lieben DANK für Deinen schönen Kommentar, Judith!
Ich freue mich, dass mein Artikel bei Dir genauso angekommen ist, wie ich ihn gedacht & gefühlt habe :-)
Liebe Grüße, Bine