Ich hatte null Erwartungen und bekam mehr, als ich erhofft hatte. Lange war dieses Mädelswochenende geplant und stand dann trotzdem (mal wieder) ganz plötzlich vor der Türe. Ich glaube, ich bin noch nie so unvorbereitet in eine fremde Stadt gefahren. Das hat Vorteile- weil man eben keine Erwartungen und kein “ich muss unbedingt dieses und jenes sehen”- Gefühl hat; hat aber auch Nachteile, weil man irgendwie ein bisschen kopflos durch die Stadt rennt.
Unser Running Gag an diesem Wochenende: Wo ist der Bus? Ihr kennt diese hop-on-hop-off Busse, die durch große, bekannte Städte fahren; bei denen man sich entspannt zurück legen kann und über Kopfhörer alles Sehenswerte rechts und links des Weges in der Muttersprache erzählt bekommt? Die finde ich toll, damit wollten wir fahren, aber das gestaltete sich schwieriger, als man vermuten würde.
Das vergangene Wochenende liegt nämlich in der Vorsaison, soll heißen: die Busse fahren erstens nicht so oft, wie sonst; zweitens fahren sie nicht alle Haltestellen an und drittens kam noch dazu, dass am letzten Wochenende ein Marathon durch Warschau lief, so dass einige Straßen gesperrt waren.
Das Ende vom Lied: gegen 17 Uhr erwischten wir endlich den Bus, der da aber schon seine letzte Runde fuhr und wir somit keine Chance hatten, zwischendurch mal auszusteigen.
Bis dahin vertrieben wir uns die Zeit aber nicht nur mit Latte Macchiato und Aperol Spritz, nein, wir nahmen auch an einer kostenlosen (!) geführten Tour durch die Altstadt teil. Diesen Hinweis erhielten wir im Tourismus Büro gleich am Schlossplatz.
Und das war super! Ich könnte solchen Guides, die nicht nur Jahreszahlen, Könige und Kriege runterrasseln, sondern auch mal ein paar Anekdötchen erzählen oder ihr eigenes Volk auf die Schippe nehmen, stundenlang hinterherrennen und zuhören.
Unser Guide war so einer. Er erzählte und erklärte uns die Stadtgeschichte, die wirklich sehr bewegend ist, erzählte von den vielen Herrschern und Ländnern, die vor vielen Jahren meinten, sie hätten ein Recht darauf, die Polen zu regieren und zeigte uns interessante Sträßchen und Plätze und was es damit sich auf sich habe. Zum Beispiel hier, wo wir gemeinsam die Fenster gezählt haben.
Sehr Ihr das schmale Haus in der Mitte? Das ist eigentlich riesig groß- was wir beim Spaziergang um die Häuserzeile herum sahen. Vorne schmal, mit wenigen Fenstern, mussten die damaligen Besitzer nämlich weniger Steuern zahlen, als ihre Nachbarn. Die Steuern wurden an Hand der Fenster und der Breite der Häuser berechnet. Wie groß oder lang das Haus nach hinten heraus ist, das interessierte niemanden.
Etwas bedrückend war es, als unser Guide uns natürlich auch von den scheiß Na*zis erzählte und was sie diesem Land, Warschau und dessen Bewohner angetan haben.
Bei Instagram wurde ich schon nach Geheimtipps gefragt- dort, wie auch hier, muss ich aber leider sagen: ich habe keine Geheimtipps für Euch. Wir haben uns in erster Linie in der Altstadt aufgehalten, haben uns durch die kleinen Gässchen treiben lassen und auf verschiedenen Plätzen eine Rast eingelegt.
Unsere Wohnung lag am Altstadtmarkt Rynek Starego Miasta, wo auch die berühmte Meerjungfrau steht, die, wie ich im Nachhinein gelesen habe, nur eine Kopie ist. Das Original, welches durch Vandalismus {schämt Euch!} immer wieder beschädigt wurde, steht im Historischen Museum. Die Syrenka ist übrigens eine Schwester der kleinen Meerjungfrau von Kopenhagen. Sagt man… Eine von vielen Sagen und Legenden.
An diesem schönen Platz, haben wir an einem Abend auch gespeist; es gibt genügend Restaurants. Den zweiten Abend haben wir direkt vor dem Schloss verbracht und gefrühstückt haben wir in zwei Restaurants, ebenfalls in der Nähe unserer Wohnung, in der Alststdt.
Das Wetter war bombastisch und so konnten wir fast immer draußen sitzen.
Ebenfalls ein nettes Anekdötchen, welches uns wohl immer in Erinnerung bleiben wird: In der Altstadt werden an verschiedenen Plätzen diese Baumstriezel oder Rohrkuchen angeboten. Mit Vanille oder Zimt, mit Mandeln oder Kokos und so weiter. Wir waren natürlich davon ausgegangen, dass das eine polnische Spezialität sei- deswegen mussten wir uns dieses köstliche Gebäck auch gleich zweimal gönnen. Jeder einen versteht sich!
Im Nachhinein erfuhren wir aber, dass es sich hierbei um eine ungarische Spezialität handelt. Auch schön. Dafür haben wir vor zwei Jahren in Kopenhagen dauernd spanische (äh, ich meine iberische) Churros gefuttert, die ihren Ursprung laut Wikipedia in China haben. Ein Hoch auf den internationalen kulinarischen Austausch! :-)
Wer diese Striezel einmal selber backen möchte, bei Vera gibt’s dazu ein Rezept und eine Anleitung… ich wusste doch, dass die Dinger mir irgendwie bekannt vorkamen.
Es war ein wunderbares Wochenende in einer absolut sehenswerten Stadt, welche nicht zu letzt durch Petrus’ guter Laune uns immer in guter Erinnerung bleiben wird. Warschau, eines Tages komme ich wieder!
Unser Guide hat uns übrigens Krakau sehr ans Herz gelegt- da wollen wir hin und werden dann ausschliesslich nur Krakauer essen. Die ist doch dort landes- oder städtetypisch, oder etwa nicht?
Do widzenia und liebe Grüße, Bine
17 Kommentare
Hallo Bine,
ich musste bei deinem ersten Satz wirklich schmunzeln, weil es mir 2012 genau so ging. Ich hatte Warschau wirklich nicht auf der “Reise-Bucket-List”, bin aber von einem Freund eingeladen worden, ihn dort zu besuchen. Seitdem habe ich die Stadt schon so oft weiterempfohlen und möchte unbedingt noch einmal selber hin. Wir waren allerdings Ende Oktober bzw. Anfang November dort – ganz schön kalt um die Zeit! Besonders beeindruckend fand ich übrigens der Besuch des Powązki-Friedhofs zu Allerheiligen: Gefühlt die ganze Stadt war nach Einbruch der Dunkelheit dort und der gesamte Friedhof war taghell von Kerzen erleuchtet. Wirklich unglaublich stimmungsvoll.
Deine tollen Bilder haben auch schon wieder die Reiselust geweckt.
Viele Grüße
Oh, das hört sich wirklich toll an! Ja, eines Tages fliege ich nochmal hin und werde mir all das ansehen, was
wir diesmal nicht geschafft haben! :-)
Liebe Grüße Bine
Wahrscheinlich ist die Krakauer genauso typisch wie die Wiener Würstchen, die in Wien keiner kennt, weil sie Frankfurter heißen…..
Lg Carmen
Hallo Bine,
ich freue mich, dass Warschau Euch gefallen hat! Ich komme selber aus Polen, zwar nicht aus Warschau, aber ich kenne die Stadt und fahre dort immer wieder gerne hin. Es gibt dort auch viel mehr zu sehen, als die Altstadt – und falls Du noch mal irgendwann hinfährst und echtes polnisches Essen probieren möchtest – geh in ein “Bar mleczny” (=Milchbar, weil es früher dort keine Fleischgerichte gab, jetzt hat sich das geändert). Es sind keine richtige Restaurants, man holt sich das Essen selber an der Theke, ist aber meistens lecker, authentisch und preiswert. Und wenn ich schon beim Essen bin. Es gibt sie – die Krakauer – heißt auf Polnisch “krakowska”, und sie ist eine Wurstsorte, aber sonst hat sie wenig mit der deutschen Krakauer zu tun. Sie ist ziemlich dick, nicht so klein gemahlen, sondern man sieht richtig Fleisch drin, duftet schön nach Knoblauch und man isst sie in Scheiben geschnitten und aufs Brot gelegt, niemals gegrillt! Meine Lieblingswurst, absolut lecker und überall in Polen zu kaufen, nicht nur in Krakau. Trotzdem – Krakau lohnt sich auf jeden Fall. Die Stadt war vor Warschau unsere Hauptstadt und wurde im Krieg nicht so zerstört, es gibt also sehr viel zu sehen!
Liebe Grüße
Ania
Ania, ich glaube Dir sehr gerne, dass es noch viiiel mehr zu sehen gibt, als die Altstadt. Ein bisschen mehr haben wir ja durch
die Bustour gesehen ;-) Und von der Milchbar hat uns unser Guide erzählt, aber da reichte dann die Zeit nicht mehr, so eine Bar zubesuchen.
Ich weiß nicht, ob ich eine echte Krakauer probieren möchte … So dick und mit richtig Fleisch drin, ich weiss nicht. Aber Versuch macht
ja kluch. :-)
Wir haben übrigens Pierogi gegessen. Die waren richtig lecker!
Nach Krakau fliegen wir auf jeden Fall- vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber irgendwann möchte ich auch diese Stadt sehen.
Liebe Grüße Bine
Huhu,
diese Gebäckteile heißen in Tschechien übrigens Trdelnik und werden z.B. in Prag an jeder Ecke angeboten…
Das Netz sagt, es sei eine Spezialität aus der Slowakei. Soviel dazu ;-))
Dein Reisebericht hört sich toll an und macht Lust, auch mal eine Tour nach Warschau zu machen.
LG, Martina
Ich habe gelesen, dass es Kürtőskalács heißt und aus Ungarn kommt. Aber wer weiß das schon so genau. Am Ende zählt, dass es
schmeckt! ;-))
Liebe Grüße Bine
Ja. Warschau ist toll. Ich muss da beruflich öfter hin und bin jedes mal wieder begeistert. LG Ute
Hallo Bine,
bei Warschau muss ich sofort an die Zoo-Familie Zabinski denken, die im 2. Weltkrieg ihren Zoo verloren haben. Die meisten Tiere konnten sie nicht retten, aber dafür haben sie Hunderte von Juden bei sich versteckt und bei der Flucht geholfen.
Der Film “Die Frau des Zoodirektors” (mit Daniel Brühl und Jessica Chastain) erzählt die Geschichte dieser polnischen Familie. Und ich glaube, das Haupthaus des Zoo’s gibt es noch und kann besichtigt werden.
Das ist der Link zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=IpxVsL0f7Oc
Liebe Grüsse,
Ana
Hallo Bine,
schön, dass du uns ein bisschen mit nach Warschau genommen hast. Ich habe Danzig und Krakau besucht und mich verliebt. Warschau steht als nächstes auf der Liste :-)
Liebe Grüße,
Tanja
Hi Bine,
da hattet ihr ja ein richtig schönes Mädelswochenende! Wenn man deinen Bericht so liest, bekommt man gleich Lust, den Anekdoten eines Guides zuzuhören oder auf dem Platz in der Sonne zu sitzen und zu futtern.
Wie cool, dass du original polnische, äh, ungarische, äh, slowakische Striezel gegessen hast :) Lieben Dank für den Link! Da kabbeln sich die einzelnen Länder wahrscheinlich ein bisschen à la: “WER hat’s erfunden?” Auf jeden Fall scheint es etwas Osteuropäisches zu sein. Damit hast du schon mal viel originalere Striezel gegessen als ich in Bad Dürkheim :D
Liebe Bine,
danke für den schönen Bericht. Ich war bisher nur in Krakau (wunderschön!) und in Warschau leider doch nicht, obwohl Freunde von uns da wohnen.
aber ich hatte mit einer Freundin und ihrem Baby (und meinem Babybauch) grade auch eine wunderbare Zeit und zwar in Mazedonien und dem Kosovo, eine Woche Urlaub ohne die Restfamilien, yeah. Und lustig, was du von den Häusern und Steuern erzählst. Dort in den zwei Ländern ist kaum ein Haus zu ende gebaut, also mit Verputzen und fertig und so, weil dann nämlich die Steuern höher wären. So lebt es sich denn gefühlt gefühlt wie auf einer Riesenbaustelle (die es auch so ist, zumindest in Prishtina und Umgebung, leider auch viele an den Finanzen etc. gescheiterte Bauruinen).
Und Bus gefahren sind wir auch (keine Touribusse, Tourismus ist da noch nicht wirklich), Linienbusse. Die Haltestellen sind selten gekennzeichnet und Pläne gibt’s gar nicht, also Zeit mitbringen, Nerven und viel Humor :))
Am ersten Tag in Skopje sind wir … tadaa… in einer Pizzeria gestrandet, toll gemacht :) Das sprang ein Typ rum, der Deutsch sprach, das Baby begeistert rumschwenkte und so lustig war, dass wir eben geblieben sind. Italienisch statt mazedonisch, bravo!
Also einige Parallelen, die Welt ist lustig.
Liebe Grüße und viel Spaß noch mit deinen Erinnerungen.
Dörte
meine geliebte warszawa – schön sie wieder zu sehen :) ich habe dort fünf jahre gelebt, es ist aber schon lange her und seit dieser zeit hat sich die stadt sehr verändert und gewachsen… allerdings blieb die altstadt gleich, so wie sie schon immer war… aber die striezel kenne ich gar nicht :) wenn man bedenkt, dass sie eigentlich nach dem zweiten weltkrieg erbaut wurde, kann man diesen unglaublichen flair kaum begreifen… übrigens war krakau vor vielen jahrhunderten die hauptstadt von polen, später hat man sich doch für warschau entschieden, was vielleicht ein grund ist, warum die beiden städte ziemliche antagonisten sind… allerdings will kein krakauer die hauptstadt bei sich haben ;) dafür sind beide städte absolut sehens- und liebenswert<3 liebe grüße von aneta
Hallo Bine, die Bilder sind wie immer wunderschön. In Warschau war ich auch noch nie und hatte auch überhaupt keine Vorstellung davon. Aber nach deinem Bericht kommt Warschau auf jeden Fall auf meine “muss ich mal hinfahren” Liste.
Lg Christine
Bei instagram schon gesehen, dass du in Warschau warst,… es war bestimmt toll dort. Noch eine Stadt, die schon länger auf meiner To-Do-Liste steht,… ich mag Städtetrips…
In Krakau war ich vor ewigen Zeiten mit meinen Eltern… auch eine tolle Stadt… würde ich gern nochmal hinfahren…
LG Justina
Ich mag keine überlaufenen Orte, ich schätze Frieden und eine hohe Qualität von einem Ort, dies ist der Grund warum der New Orleans Club in Warschau der perfekte Ort für mich ist. Sehr schade, dass wir keinen Club wie diesen haben, weil dieser ist wirklich besonders. Es ist auf jeden Bezug toll. Perfekt für jede Party.
neworleans.pl/en/?nkpage=3
Großartiger Artikel ich könnte auch noch hinzufügen, dass ich dort oft reise und ich vor kurzem gerade wieder Polen besucht habe. Ich endete in dem New Orleans Club in Warschau und ich werde diesen Besuch niemals vergessen. Es war sehr genusssüchtig, ein toller Ort mit seinem eigenen Charme.