(Werbung für DIE SPIONIN) War sie eine oder war sie keine? War sie einfach nur ein Mädchen, dass nach Annerkennung, Ruhm und Erfolg strebte, nach einem besseren Leben und dabei auf falsche Wege geriet? Oder war sie wirklich die abgebrühte Doppelspionin, die für die Deutschen und für die Franzosen arbeitete, die ihre Kontakte und Beziehungen zu den einflussreichsten Männern dieser Zeit eiskalt ausnutzte?
Man weiß es nicht genau. Bis heute, fast 100 Jahr nach der Hinrichtung Mata Haris, weiß keiner genau, was damals genau passiert ist. Kennt Ihr die Geschichte um die sagenumwobene Mata Hari? Ich muss gestehen: der Name sagte mir was, aber wer genau diese Frau war, das wußte ich nicht. Bis ich das Buch Die Spionin von Paulo Coelho las.
Coelho schlüpft in die Haut Mata Haris, die eigentlich Margaretha Geertruida Zelle hieß und schreibt einen letzten Brief aus dem Gefängnis, bevor sie hingerichtet wird. Den Brief schreibt sie an ihren Verteidiger und Anwalt Maître Clunet. Sie ist sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie endlich aus dem schrecklichen Frauengefängnis Saint-Lazare in Paris entlassen wird. Sie schreibt sich ihr Leben von der Seele. Ein Leben, welches viele glanzvolle Seiten, aber weitaus mehr Schattenseiten hatte.
Ihre Kindheit und Jugend ist nicht die Glücklichste. 1876 kam sie als Tochter eines Hutmachers in Leeuwarden auf die Welt. Als die Mutter stirbt, schickt ihr Vater sie zu Verwandten. Dort soll sie leben und eine Ausbildung zur Kindergärtnerin absolvieren. Sie wird vom Direktor vergewaltigt. “Seit meinem ersten schrecklichen sexuellen Erlebnis in Leiden habe ich Alpträume. Ich schlafe mit reichen Männern, die mir dafür Einfluss verschaffen und Geld und schöne Kleider schenken. Aber mit der Zeit wird alles schal, und am Ende weine ich nur.” Das sagt und schreibt Coelho. Ob es stimmt oder, ob die Beziehung zum Direktor einvernehmlich war, das ist bist heute nicht belegt.
1895 lernte sie ihren Ehemann über eine Zeitungsannonce kennen: “Offizier, auf Urlaub aus Indonesien, sucht junge Frau mit liebenswürdigem Charakter zur Eheschließung.” Sie sieht eine Chance, ihrem langweiligen Leben in den Niederlanden zu entkommen und zieht mit ihm nach Niederländisch-Ostindien.
Dort kommt sie vom Regen in die Traufe, langweilt sich zu Tode, wird von ihrem Mann gedemütigt und misshandelt und verliert ihren Sohn, der vom Kindermädchen vermutlich vergiftet wird.
1903 flüchtet sie nach Paris. Sie braucht Geld, steht Modell für verschiedene Maler und startet ihre Karriere als exotische Schleier- und Nackttänzerin. Sie nimmt ihren Künstlernamen Mata Hari an und feiert seitdem große Erfolge. Frankreich liebt diese geheimnissevolle exztrentrische Frau, die wenig von sich preis gibt, deren Herkunft nicht bekannt ist, die aber ihren Körper und ihre Seele an die einflußreichsten und berühmtesten Männer von Paris verkauft. Sie wird gefeiert und verteufelt, bewundert und gehasst, schliesslich ist sie ihrer Zeit um Längen voraus. Sie will ein selbstbestimmtes, freies Leben führen, was zur damaligen Zeit für Frauen undenkbar ist.
Ich bewundere sie, als ich ihren Brief, der viele Fakten aber auch Fiktion enthält, lese. Ich glaube ihr, dass sie von den Deutschen und den Franzosen aufs übelste benutzt und hintergangen wurde. Dass ihr nicht klar war, auf was für ein gefährliches Doppelspiel sie sich da eingelassen hat. Dass ihr Lebenstraum von einem unabhängigen Leben sie in schlimme Machenschaften vertricken ließ. Dass sie 1915 in den Dienst des deutschen Geheimdienstes trat und den Decknamen H21 erhielt, das ist unstrittig. Ob sie allerdings wirklich wichtige Informationen gesammelt und preis gegeben hat, das weiß man heute nicht.
Und dann schreibt Clunet an Mata Hari und meine Bewunderung bröckelt. Er weiß, dass der Brief nicht mehr vor ihrer Hinrichtung eintreffen wird. Aber auch er muss sich seine Gedanken und Gefühle von der Seele schreiben. War auch er ein Liebhaber Mata Haris? Offenkundig ist, dass er ihr sehr zugetan war, aber retten konnte er sie nicht.
Clunets Zeilen vereinen wieder historisch belegte Begebenheiten mit fiktiven Szenen und wirft am Ende doch eine Menge Fragen auf: War sie vielleicht doch eine abgebrühte Doppelspionin, die nur auf ihre Vorteile aus war und die Männer der beiden Nationen gekonnt gegeneinander ausspielte? Oder war sie das Bauernopfer? Wurde sie benutzt, weil sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr angesagt und damit sehr verletzlich war? Was klar ist: nur einer ihrer zahlreichen Mäzenen, Liebhabern, Bewunderern und Verehrern sagte als Zeuge vor Gericht aus. Alle anderen schwiegen.
Nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte, musste ich erstmal das Internet lesen. Es gibt unglaublich viele Geschichten rund um Mata Hari. Selbst um ihre Hinrichtung ranken sich zahlreiche Mythen und Anekdoten. So soll sie dem Erschießungskommando Küsse zugeworfen haben. Sie sei gar nicht gestorben und mit einem jungen französischen Offizier aus dem Gefängnis geflüchtet sein. Sicher ist, dass niemand nach ihrem Tod für die Beerdigung zahlen wollte und ihr Körper der medizinischen Fakultät der Sorbonne zur Verfügung gestellt wurde.
Zum Schluss ist sie eine einsame Seele, ein Sündenbock, über den man vieles aber längst nicht alles weiß. Die letzten offenen Fragen werden sich vermutlich im Oktober 2017 klären lassen. Dann sind 100 Jahre nach der Hinrichtung Mata Haris vergangen und erst dann darf die französische Gerichtsakte geöffnet werden.
Ich war und bin begeistert von dem Buch Die Spionin. Coelho erzählt auf eine wundervolle Art und Weise ohne Wertung aus der Sicht dieser sagenumwobenen Frau. Wie ihr Leben, so verknüpft Coelho Wahrheit und Phantasie.
“Ihr einziges Verbrechen war, eine unabhängige Frau zu sein!”.
Ein Zitat, welches in mir nachhallt. Ist es heute für Frauen allgemein einfach ein unabhängiges Leben zu führen? Für alle Frauen? Sicherlich nicht.
Was mich aber viel mehr beeindruckt und erschüttert, ist der letzte Satz des Buches – ein Zitat des Staatsanwaltes André Marent, der hauptverantwortlich für das Todesurteil war. Ob dieses Zitat jedoch wirklich von ihm stammt oder aus Coelhos Phantasie entsprang, da bin ich mir wieder nicht so sicher:
Entre nous, il n’y avait pas de quoi foutter un chat – Einmal ganz unter uns, wir hatten eigentlich nichts gegen sie in der Hand.
Ich lege Euch dieses kleine Buch sehr ans Herz. Erschienen ist es im Diogenes Verlag, geschmückt mit einem Bild der schönen und geheimnisvollen Mata Hari und läßt den Leser zum Schluss Fotos, Kopien und Dokumente jener Zeit lesen.
Liebe Grüße, Bine
14 Kommentare
Hallo Bine,
gehört habe ich auch schon oft den Namen Mata Hari und dass sie eine Spionin war, wusste ich auch, aber mehr Gedanken dazu habe ich mir darüber bisher gar nicht gemacht. Jetzt hast du es mit deiner Erzählung glatt geschafft, dass ich dieses Buch über sie nur zu gerne lesen würde. Danke für den Buchtipp!
Liebe Grüße von Ute :-)
Das hört sich interessant an. Vielleicht schenke ich es meiner Mutter zum Geburtstag, denn sie liebt Biographien – reelle und fiktive gleichermaßen – und dann leihe ich es von ihr aus! Ha, watt bin ich fiffich!
Vielen Dank für die tolle Beschreibung, die wirklich Lust macht aufs Lesen!
Gros bisou
Sandra
*lach* – ja, da wärest Du fiffich! Erst verschenken, dann ausleihen.
Deiner Mama wird es bestimmt gefallen, wenn sie die Biographien liebt.
Liebe Grüße, Bine
Liebe Bine,
ein super interessantes Thema, über das man eigentlich erstaunlich wenig weiß! Ich bin zwar eigentlich kein Paulo Coelho-Fan, aber ich glaube, das muss ich lesen :)
Liebe Grüße
Bine
Das war mein erster Coelho. Mir hat sein Schreibstil gefallen. Wobei ich mir manchmal etwas mehr Emotion gewünscht hätte.
Aber das kann natürlich auch an der besonderen Geschichte gelegen haben?!
Liebe Grüße Bine
It’s “fouetter” and a Jean Paul Sartre quote.
Not a big fan of Coelho and do not consider him to be a great author…
Liebe Bine.
Genau dieses Buch habe ich mir gestern gekauft……..ich habe noch keine Bücher von Paulo Coelho gelesen.
Es ist mein 1. Buch von ihm. ……
LG
Sylvia
Dann lass mich wissen, wie es Dir gefallen hat!
Liebe Grüße Bine
Liebe Bine,
vielen Dank für die tolle Rezension! Ich bin um dieses Buch herum geschlichen – jetzt werde ich es kaufen!
Ich hatte von Mata Hari gehört und gelesen – vielleicht weil es in Nürnberg eine Mata Hari Bar gibt, die ich gerne mag. Da wollte ich natürlich wissen, wer diese Mata Hari war. Aber ich habe auch nur wenig Wissen über diese spannende Frau. Also, morgen wird das Buch gekauft . Gerade die Mischung aus Geschichte und Fiktion finde ich toll – vielen Dank für deine Empfehlung!
Liebste Grüße von Martina
Nichts zu danken und viel Freude beim Lesen! Eine Mischung aus Fiktion und Geschichte finde
ich auch immer ganz toll! :-)
Liebe Grüße Bine
Ich habe bisher von Coelho “Der Alchemist” gelesen, aber nie so richtig bis zum Ende. Habe sogar mal angefangen, es meinem Sohn vorzulesen. Mata Hari klingt spannend, vor allem, weil ich vor kurzem in Berlin im Spionage Museum war. Übrigens ein Tipp! Das Museum ist sehr modern gemacht, es gibt viele interaktive Sachen und für die Kinder noch zum Abschluss einen Tunnel, in dem à la James Bond Laserstrahlen überwunden werden müssen. Danke für den Buchtipp.
Das hört sich gut an Elke. Da wir vielleicht im Sommer nach Berlin fahren, werde ich mir Deinen Tipp
notieren.
Und heute wird die Tasche weiter genäht! :-))
Liebe Grüße Bine
Liebe Bine,
meine Großmutter (du weisst schon, die mit den Stricksachen) hat mir auch mein erstes Buch über Mata Hari gegeben. Und dein Tipp ist sofort auf meiner Wunschliste gelandet. Ich lese zwar nicht mehr, sondern ich lasse lesen und bin gespannt nun auf die Coelho Version.
Liebe Grüße
Bärbel ☼
Danke für den Tipp, das klingt nach einer spannenden Geschichte. Irgendwie kennt ja jeder Mata Hari als “Begriff”, aber die wenigstens haben eine Idee, was oder wer überhaupt dahinter steckt. Dein Review macht auf jeden Fall Lust, mehr zu erfahren. Und Coelhos Schreibstil finde ich persönlich sehr schön.